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Das Handwerk schafft sich ab? Gibt es eine Revolution? Nein, bestenfalls ein laues Stürmchen im Wassergläschen
Um es vorweg zu nehmen: Zu diesem Thema habe ich einen gänzlich anderen Lösungsansatz, als ihn Alexander Baumer in seinem Beitrag beschreibt.
In seinem aufsehenerregenden und vielbeachteten Beitrag “Das Handwerk schafft sich ab! Selbstzerstörung vom Feinsten…”, schrieb sich mein Malermeisterkollege Alexander Baumer seinen aufgestauten Frust von der Seele.
Dabei geht es Alexander Baumer um das alltägliche Preisunterbieten und die unwirtschaftlichen Billigangebote der Malerkollegen, durch das sich das Handwerk, so Baumer, letztlich selbst abschaffe.
Diese Billigmentalität und das gegenseitige Preisunterbieten, möchte Alexander Baumer gerne ändern. Sein Credo:
“Nur zusammen können wir etwas erreichen! Wir sind das Handwerk. Wir sind die Wirtschaftsmacht in Deutschland! Ohne uns geht nichts! Starten wir die Revolution!”
Alexander Baumer erhielt von zahlreichen Kollegen uneingeschränkte Zustimmung und er erreichte mit seinen Thesen eine breite Öffentlichkeit. Die richtige Bestandsaufnahme von Baumer und seine Analyse kann ich voll unterstreichen.
Was ich allerdings sehr stark bezweifle ist, dass sich an der beschriebenen Situation auch nur das Geringste im Handwerk ändern wird. Warum?
Als ich so jung wie Alexander Baumer war (lang, lang ist´s her 😉 ), hatte ich genau die selben Empfindungen, Gedanken und Ideen. Sehr schnell stellte ich allerdings zwei Dinge fest:
- Diesen Zustand beklagten schon ganze Generationen von Malermeistern vor mir.
- Die “Kollegen”, die es betrifft, sind beratungsresistent, schlecht ausgebildet, uneinsichtig und/oder alles zusammen.
Mein gesamtes Unternehmerleben, höre ich diese immer wieder gleichen Botschaften. Das wiederholt sich offensichtlich von Generation zu Generation. Das Thema ist sicher so alt, wie das Handwerk selbst. Hat sich deshalb irgend etwas im Handwerk in diesem Sinne geändert? Ich sage: Nein!
Was ist eigentlich so schlimm daran, wenn das Handwerk sich selbst abschafft? Es schaffen sich doch nur diejenigen Handwerker/Handwerksbetriebe selbst ab, die, wie das Kaninchen vor der Schlange, bewegungslos erstarren.
D.h., untätig bleiben und dann vom Markt verschwinden. So findet automatisch eine Marktbereinigung statt und die “schlechten” Handwerksbetriebe verschwinden von selbst von der Bildfläche.
Aus welchem Grund sollen eigentlich erfolgreiche Handwerksunternehmer den Rest der Handwerkerschaft besser und erfolgreicher machen?
Das wäre doch so, als würden z.B. ALDI, AMAZON, MEDIA MARKT, H & M, SATURN, TENGELMANN, DM-DROGERIE MARKT, GLOBUS, ROSSMANN, IKEA, C & A, BAUHAUS usw. usw., den Niedergang des Einzelhandels der jeweiligen Branche beklagen und ein Programm zu dessen Rettung auflegen. Auf diese Idee kommt doch nun wirklich niemand!
Zudem hat das Handwerk selbst, bzw. seine Vertreter und Vertretungen (gemeinsam mit der Politik), ganz entscheidend zu der von Alexander Baumer beschriebenen Situation beigetragen.
So z.B. mit der Altgesellenregelung. Danach darf sich ein Geselle selbstständig machen, wenn er eine Tätigkeit von mindestens sechs Jahren, davon vier in leitender Stellung, nachweisen kann.
Ein Meister geht ein Jahr oder länger in Vollzeit zur Meisterschule. Dabei werden bekanntlich vermittelt und geprüft:
Teil I:
- Meisterprüfungsprojekt und ein darauf bezogenes Fachgespräch
- Situationsaufgabe
Teil II:
- Handlungsfeld 1 Technik und Gestaltung
- Handlungsfeld 2 Auftragsabwicklung
- Handlungsfeld 3 Betriebsführung und Betriebsorganisation
Teil III:
Schriftliche Prüfung in den drei Handlungsfeldern
- Grundlagen des Rechnungswesens und Controllings
- Grundlagen wirtschaftlichen Handelns im Betrieb
- Rechtliche und steuerliche Grundlagen
Prüfung im Teil IV:
- schriftliche Prüfung
- praktische Lehrlingsunterweisung.
Ein sich mit der Altgesellenregelung selbstständig machender Geselle, hat von alledem nicht die geringste Ahnung. Keinen blassen Schimmer von z.B. kaufmännischer Betriebsführung oder Kalkulation.
Da muss man sich nicht wundern, zu was für (Dumping-) Preisen Malerarbeiten angeboten werden.
Nach meinen eigenen Erfahrungen bezweifle ich zudem, dass von den Handwerkskammern die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen richtig geprüft werden, bzw. mit den jeweiligen Genehmigungen sehr großzügig verfahren wird.
Beispiel: Einen meiner Gesellen kündigte ich, wegen Schwarzarbeit bei meinen Kunden, fristlos. Nach einigen Wochen sollte ich ihm bescheinigen, dass er vier Jahre in leitender Stellung bei mir gearbeitet hat. Er wollte sich selbstständig machen.
Die Bestätigung erhielt er von mir nicht. Weder bei mir, noch sonst irgendwo, hat dieser Geselle jemals vier Jahre in leitender Stellung (was ist das eigentlich?) gearbeitet. Trotzdem erhielt er von der Handwerkskammer die Genehmigung und “bereichert” seither als offizieller Malerbetrieb die Handwerkslandschaft. 🙁
Derartige Beispiele gibt es sicher zuhauf.
In Deutschland gab es 2016 ca. 41.300 Maler- und Lackiererbetriebe (Quelle: Statisa). Die durchschnittliche Betriebsgröße betrug 2013 ca. 4,7 Mitarbeiter (Quelle Bundesverband Farbe). Oder anders gesagt: Der ganz überwiegende Teil der Betriebe sind Klein- und Kleinstbetriebe, mit nur wenigen Mitarbeitern.
Da muss mir bitte einmal jemand erklären. Wo um alles in der Welt, kann ein Malergeselle in einem Klein- oder Kleinstbetrieb in leitender Stellung tätig sein?
Dazu kommt, dass man sich in den zulassungsfreien Gewerken, wie z.B.
- Holz- und Bautenschutz und
- Raumausstatter
ohne größeren Aufwand und weitere Kenntnisse, selbstständig machen kann. Beide Gewerke sind deshalb bei Malergesellen zur Selbstständigkeit “sehr beliebt”. Ausgeführt werden dann allerdings Malerarbeiten, zu denen diese Firmen nicht berechtigt sind. Überprüfung und Sanktionen durch die Handwerkskammer? Fehlanzeige!
Zusätzlich gibt es ganze Heerscharen von Hausmeisterfirmen (sog. Hausmeisterservice), die ebenfalls Malerarbeiten ausführen, ohne dazu berechtigt zu sein. Siehe dazu den Artikel in der MAPPE, vom 06.10.2014.
Auch hier, Überprüfung und Sanktionen durch die Handwerkskammer? Fehlanzeige!
Es ist nicht nur das Handwerk, das sich selbst abschafft, sondern auch die Grauzone der handwerksähnlichen und nichthandwerklichen (Hausmeisterservice) Betriebe.
In der Gesamtsumme all dieser Betriebe, steckt ein ganz erhebliches Potential von unqualifizierten und kenntnislosen Billiganbietern. Alle zusammen, sind in ihrer Vielzahl für die von Alexander Baumer beschriebene Situation mit verantwortlich.
Kalkulation und Betriebswirtschaft sind für die von Alexander Baumer beschriebenen “Kollegen” unbekannte Fremdwörter. “Kalkuliert” wird von diesen „Unternehmern“ nach folgendem Schema:
“Bei meinem letzten Angebot habe ich € 5,00 je Quadratmeter angeboten und den Auftrag nicht erhalten. Bei diesem Angebot, nehme ich für den Quadratmeter jetzt € 4,50, dann wird es mit dem Auftrag schon klappen.”
Da auf Besserung und/oder Einsicht zu hoffen, ist m.E. ein unerfüllbarer Wunschtraum. Hier gilt für mich das deutsche Sprichwort:
“Die Dummen sterben nie aus.” Die Dummen sind in diesem Fall die Betriebe, die, weil unqualifiziert und unwissend, glauben, alleine mit einem billigen Preis überleben zu können.
Wie also könnte die Lösung lauten? Nach Alexander Baumer soll eine Revolution helfen. Revolution von was? Darauf kann man weder hoffen, noch kann man daran glauben. Ich jedenfalls nicht!
Der bedeutend bessere Lösungsansatz ist für mich ebenfalls ein deutsches Sprichwort:
“Hilf Dir selbst, so hilft Dir Gott.”
Oder, wie der Schweizer Politologe und Gesundheitsökonom Dr. rer. pol. Gerhard Kocher sagt:
“Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner.”
Für mich hat das immer bedeutet, sich auf die eigenen Fähigkeiten und Stärken zu konzentrieren und diese ständig weiter auszubauen.
Natürlich gab und gibt es Kollegen, mit denen man sich vertrauensvoll austauschen und voneinander lernen kann. Das ist sinnvoll und wichtig. Aber mehr nicht.
Also noch einmal die Frage: Warum soll ich meinen Wettbewerb besser und schlauer machen, zumal der das gar nicht will? Darauf habe ich keine vernünftige Antwort.
Die durchaus löbliche, aber m.M. nach erfolglose, Absicht von Alexander Baumer, möchte ich an nachstehendem Beispiel anschaulich machen.
Wie schütze ich mein Haus oder meine Wohnung am besten vor einem Einbruch?
Dafür gibt es zwei theoretische Möglichkeiten:
- Ich versuche alle Einbrecher dieser Welt, zumindest die in Deutschland und dem angrenzenden Ausland, zu erreichen, um sie mit guten Argumenten von ihrem schändlichen Tun abzuhalten und dauerhaft zu überzeugen, künftig auf Haus- und Wohnungseinbrüche zu verzichten.
- Ich konzentriere mich auf mein Haus oder meine Wohnung und schütze die mit einer Alarmanlage und/oder einbruchhemmenden Einrichtungen vor einem Einbruch.
Nun mag jeder selbst entscheiden, was das Machbare, das Sinnvolle und das Erfolgreiche sein wird, mit dem ich einen Einbruch bei mir verhindere.
Ein anderes Beispiel wäre ein erfolgreicher Spitzensportler (z.B Sprinter oder Leichtathlet) und sein Trainer. Dieser Athlet mit seinem Trainer, konzentriert sich auf sich, seine Stärken und Fähigkeiten, baut sie weiter aus, um am Ende auf Platz eins auf dem Siegerpodest zu stehen. Er schaut allenfalls nach noch erfolgreicheren Athleten, um sich etwas abzuschauen. Warum soll dieser Athlet seine Wettstreiter schlauer und stärker machen?
An das oben genannte Sprichwort “Die Dummen sterben nie aus” anknüpfend, will ich noch eine Lebensweisheit meiner 91-jährigen Lieblingstante zum Besten geben. Sie sagte mir schon vor langer Zeit: “Ein Gescheiter kann einen Dummen verstehen, ein Dummer aber einen Gescheiten nicht.”
Die von Alexander Baumer ausgerufene „Revulotion“, erinnert mich an den ebenso erfolglosen Kampf von Don Quijote gegen die Windmühlen.
Jeder Handwerksmeister/Unternehmer, auch Alexander Baumer und seine “Mitrevolutionäre”, muss für sich selbst entscheiden, ob und wie viel Energie und Aufwand er in die vermeintliche Aufklärung der angesprochenen “Problemhandwerker” investieren will.
Dabei muss sich jeder Unternehmer ebenso die Frage stellen, ob er die dafür notwendige Energie, den ideellen und zeitlichen Aufwand, nicht besser in sein eigenes Fortkommen und in das eigene Unternehmen investiert.
Darum meine Empfehlung:
Billige und dumme Wettbewerber nicht beachten, wir können sie nicht ändern. Stattdessen:
Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner!